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Gedenken Reichspogromnacht – NIE WIEDER IST JETZT!

By 9. November 2023Dezember 8th, 2024Gedenken4 min zu lesen

„Auf beiden Straßenseiten standen Männer und schlugen mit Eisenstangen Schaufenster ein. Überall krachte und splitterte Glas. Es waren SS-Leute in schwarzen Breeches und hohen Stiefeln, aber in Ziviljacken und mit Hüten. Sie gingen gelassen und systematisch zu Werke. Jedem schienen vier, fünf Häuserfronten zugeteilt. Sie hoben die Stangen, schlugen mehrmals zu und rückten dann zum nächsten Schaufenster vor. Passanten waren nicht zu sehen…“ [1] so erinnerte sich Erich Kästner an jene Nacht des 8. und 9.November 1938. Am diesen Tag ließen die Nationalsozialisten ihren Hass gegen Jüdinnen und Juden freien Lauf. Wie ein spontaner „Volkszorn“ wollte man es aussehen lassen aber es war ein von den Nazis geplanter und orchestrierter Pogrom gegen die jüdischen Mitmenschen in ganz Deutschland. Zynisch nannten sie die Nacht in der Deutschlandweit die Synagogen brannten und jüdische Geschäfte und Wohnung zerstört und geplündert wurden, die „Reichskristallnacht“, was für eine infame Bezeichnung um die Brutalität in dieser Nacht zu verharmlosen.

Auch bei uns in Landau fand dieser abscheuliche Pogrom statt. In Landau trieb man die jüdischen Männer im Betsaal zusammen, misshandelte sie mit Faustschlägen, Tritten, Schlagstöcken und Besenstielen. Man zwang sie die Tora, die heiligen Schriften des Judentums zu entweihen, in dem man sie unter Misshandlung aufforderte diese anzuspucken oder zu treten, die Tora, die für gläubige Juden so heilig ist, dass sie nicht einmal mit Händen berührt werden darf. Wie enthemmt die verbrecherischen Nazis hier im Betsaal vorgingen verdeutlicht das Beispiel des Synagogenvorstehers der Böchinger Synagoge, Salomon Wolff, der in Folge der Demütigungen und massive körperliche Misshandlungen durch diese Verbrecher an der Menschheit zu Tode kam. Die im Landauer Betsaal zusammengetriebenen jüdischen Menschen, konnten die Misshandlungen zwar nicht sehen, aber deutlich die Schmerzensschreie und die Todesdrohungen hören, solange bis es still war. [2]

Und heute? Heute erleben wir weltweit ein erneutes brutales Aufkommen des Antisemitismus. Die Terrororganisation Hamas erschüttert mit ihrem feigen Terror den letzten Schutzraum für Jüdinnen und Juden, den Staat Israel und ruft weltweit dazu auf alle jüdischen Menschen und deren Einrichtungen anzugreifen. Während in einigen Ländern auf den Straßen „nur“ zur Vernichtung Israels und der jüdischen Menschen aufgerufen wird, werden in anderen Ländern diese Aufrufe auch umgesetzt.

Auch in Deutschland, dem Ursprungsland des Holocaust. Synagogen werden beschmiert und beschädigt, Häuser und Wohnblocks in denen jüdische Familien wohnen, werden mit dem Davidstern markiert, Gedenkveranstaltungen werden gestört [3] und der Verband der KZ Gedenkstätten melden so viele Angriffe auf Mahnmale und Gedenkstätten, hauptsächlich durch die extreme Rechte, wie nie zuvor [4].

Wir sind an einem gefährlichen Punkt unserer Geschichte angelangt, an dem „Nie wieder“ augenscheinlich zu einer leeren Worthülse verkümmert ist. Wehret den Anfängen ist schon lange vorbei, Nie wieder ist Jetzt!

Aber eins muss in aller Deutlichkeit gesagt werden: Wer jüdische Menschen und jüdische Einrichtungen angreift ist kein Aktivist für die Palästinenser, sondern ist ein Antisemit der die palästinensischen Interessen mit Füßen tritt. Auch kann Antisemitismus nicht antimuslimischen Rassismus bekämpft werden. Minderheiten gegen Minderheiten auszuspielen ist ein niederträchtiger Akt aus dunklen Zeiten. Auch an die deutsche Linke müssen hier klare Worte gerichtet werden: Wer aus falsch verstandenem Antiimperialismus und Antikolonialismus heraus die Terrorpropagandaerzählung „des Widerstandaktes gegen die Besatzungsmacht“ reproduziert, betreibt hier klare Täter- Opfer Umkehr und relativiert das Leid der israelischen und palästinensischen Opfer des Hamasterrors und ihrer Angehörigen! Unsere Erinnerungskultur ist der wichtigste Grundpfeiler unserer wehrhaften Demokratie, die es in der heutigen Zeit stärker als zuvor
gegen Demokratie- und Menschenfeinde zu verteidigen gilt.

Quellenangaben:
[1] aus: Erich Kästner: Notabene 45. Ein Tagebuch, Frankfurt/M 1983, S.140f
[2] Vgl. Martin, Michael, „Die Nacht vom 9./10. November 1938“ in Stadt Landau (Hrsg.), 2013, S. 427 – 492
[3] s. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/chronik/ und https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-102.html
[4] s. https://www.tagesschau.de/…/rechtsextreme-bedrohung-kz