Gedenken an die Reichspogromnacht 09./10. November 1938
Nachbericht zur gemeinsamen Mahnwache des demokratischen Bündnisses gegen Rechts Landau am 09. November 2024 auf dem Danziger Platz in Landau.
Am 9. November 2024 versammelten wir uns mit einem demokratischen Bündnis, bestehend aus den Landauer Grünen, der SPD, einem Vertreter der CDU, der FWG, der Omas gegen Rechts, ver.di, 100 Argumente gegen die AfD, sowie der AWO, zu einer gemeinsamen Mahnwache mit Informationsstand am Danziger Platz in Landau. Fast 200 Bürger*innnen waren dem Aufruf gefolgt.
Grund für den eher ungewöhnlichen Ort war ein Informationsstand, den die rechtsextreme AfD anmeldete, um den 9. November politisch umzudeuten.
Noch während wir uns im Aufbau befanden, entschied sich eine Gruppe junger Antifaschist*innen spontan sich zentral auf dem Danziger Platz zu versammeln, um ebenfalls ihrer Ablehnung des rechten Ansinnens zu verdeutlichen und der rechtsextremistischen AfD den Raum zu nehmen. So kam es, dass der politische Gegner sich in einer kleinen Nische einfand und die groteske „Glühwein und Wiener-Würstchen Party“, für die sich die Anwohnenden offenbar nicht interessierten, keinerlei Zulauf erhielt.
Zu Beginn konnten wir wegen eines technischen Problems unseren Lautsprecher nicht nutzen. Kurzerhand standen uns die Freund*innen und Genoss*innen, die sich zentral auf dem Danziger Platz versammelten, solidarisch zur Seite und unterstützen uns mit einem Megafon, sodass die Versammlung eröffnet werden konnte.
In unserem Redebeitrag bedankte sich Björn bei der spontanen Kundgebung für die entgegengebrachte Solidarität und betonte, dass diese keine Einbahnstraße ist.
Er erklärte warum das Anmelden eines Infostandes einer „Nazi Partei“ gerade auf dem Danziger Platz am 9. November auch noch einen zusätzlichen Schlag ins Gesicht von nicht geschichtsvergessenen Demokrat*innen bedeutet: Im Danziger Hafen wartete am 1. September 1939 ein deutsches Kriegsschiff, um den Befehl zu erhalten mit dem Beschuss der Halbinsel Westerplatte den Zweiten Weltkrieg loszubrechen. Die Umstände nutzte Björn um anwesende Parteien und Stadrät*innen aufzufordern ein politisches Zeichen gegen Rechts zu setzen und sich in einem gemeinsamen Statement dafür einzusetzen, dass Hindenburg-, Hans Stempel sowie Kohl-Larssen Straße umbenannt werden.
Die Gräueltaten des 9, November, sollten nach einem Ausbruch spontanen Volkszorns aussehen, waren in Wirklichkeit aber detailliert geplant und orchestriert. Im gesamten damaligen Reich, zur gleichen Zeit, die gleichen Taten. Mit dem Ziel 20-30.000 Jüd*innen zu deportieren. Dies wurde am lokalen Beispiel verdeutlicht. In Landau wurden die jüdischen Männer im Betsaal zusammengetrieben und mit Gewalt gezwungen ihren Enteignungen zuzustimmen. Ein Verbrechen das im Nachkriegsdeutschland nachträglich legitimiert wurde.
Anhand des Schicksals von Salomon Wolf, den Landauer SS und Gestapo im Betsaal zu Tode quälten, wurde das enthemmte Vorgehen der Nazischergen veranschaulicht. Weiter hieß es, dass die Pogromnacht nicht mit einzelnen Verbrechen endete, sondern vor aller Augen zu Deportationen der jüdischen Bevölkerung führte. Die Pogromnacht kann daher als Generalprobe für den Holocaust gesehen werden.
An dieser Stelle mussten Rede, als auch Versammlung kurzzeitig unterbrochen werden, da einbekannter lokaler Querdenker, der eindeutig der rechtsradikalenSzenezuzuordnen ist, unsere mehrfach deutlich ausgewiesene Versammlungsfläche betrat. Hier versuchte er mit einem Livestream zu provozieren und für Unfrieden zu sorgen. Die von der Versammlungsleitung auf verschiedenen Wegen kontaktierte Polizei reagierte nicht, ebenso wenig setzte sie einen ausgesprochenen Platzverweis nicht um. So musste die Versammlung sich selbst schützen. Dies führte dazu, dass einige ortsansässige Neonazis von außen gezielt provozierten.
Nachdem Björn seine Rede wieder aufnehmen konnte, betonte er, dass das Gift des nationalsozialistischen Antisemitismus noch immer in unsere Gesellschaft hineinwirkt. Uns trifft heute keine Schuld an der Vergangenheit, aber wir tragen die Verantwortung für die Zukunft, in der sich eine Nazidiktatur nie wieder wiederholen darf. Ein kurzer Exkurs führte aus warum das Kleinreden der NS-Diktatur seitens der AfD ein konsequentes Fortführen der Politik der NSDAP ist. Er pointierte abschließend warum wir vor Ort waren: „In den Vernichtungslagern wollten die Nazis jegliche Erinnerungen an ihre Opfer auslöschen. Wir sind auch hier, um zu zeigen, dass ihnen das nicht gelungen ist und nie gelingen wird! Erinnern heißt auch kämpfen!“ Anhand eines Biografischen Beispiels zeigte die Landauer Oma gegen Rechts Doris auf, wie die Naziverbrechen verdrängt wurden und in Vergessenheit geraten sollten. Auch sie fühlte sich genötigt ihren Redebeitrag kurzzeitig zu unterbrechen. Auslöser war das Verhalten der Polizei. Diese kesselte ohne von außen erkennbarem Grund die Antifaschist*innen in der Mitte des Danziger Platzes ein und unternahm offensichtlich den Versuch diese abzudrängen. Wir unterstützen die zentralgelegene Versammlung, indem wir den Menschen solidarisch mit Sprechchören, während der durch den Tumult ausgelösten Unterbrechung der Rede, zur Seite standen. Im Gesamten hinterfragen wir den Polizeieinsatz kritisch und kommen für uns zu dem Schluss, dass von dieser Seite alles unternommen wurde, friedliche Kundgebungen zu eskalieren. Das dies nicht passierte, ist aus unserer Perspektive einzig dem Nachsichtigen und Besonnen Verhalten aller anwesenden Antifaschist*innen zu verdanken, die sich weder durch die Pöbeleien der AfD noch durch die versuchte Eskalation der Polizei provozieren ließen.
Nachdem die Rede der Omas gegen Rechts zu Ende geführt werden konnte, verlass die Stadträtin der SPD Jenny exemplarische Biografien jüdischer Mitbürger*innen, die durch das NS-Regime vertrieben und teils ermordet wurden. Ein trauriger und emotional sehr bewegender Höhepunkt der Mahnwache.
Die abschließende Rede steuerte ver.di bei. Der Kollege Sebastian betonte, wie wichtig es sei Gedenk- als auch Feiertage zu hinterfragen, da das Naziregime damals gezielt versuchte diese für sich einzunehmen, ebenso wie heute die extreme Rechte. Er betonte, dass der 9. November der Beginn einer eskalierenden Gewaltspirale war, die in den industriell angelegten Massenmorden gipfelte. Das Ansinnen der AfD stellte er folglich konsequent als Geschichtsrevisionismus heraus. Solidarität ist es, die marginalisierten Gruppen hilft – Unverhandelbares darf niemals zur Disposition stehen.
Nach dieser Rede leitete die Versammlungsleitung zu einem offeneren Teil über. Im Zentrum standen die Plakatausstellung zur Entwicklung des Neofaschismus in Deutschland, sowie die Vorführung der Clips 100 Argumente gegen die AfD. Beides wurde mit viel Aufmerksamkeit durch Teilnehmer*innen und Besucher*innen aufgenommen. Gleichzeitig konnten wir diese Zeit für viele Gespräche und zur weiteren Vernetzung nutzen.
Einen Höhepunkt stellte das vorzeitige Aufgeben des Infostandes der AfD dar. Offenbar merkten sie, dass niemand sich für sie und ihrer menschenverachtende Politik interessierte. So konnte unsere Veranstaltung ohne weitere Störungen zu Ende geführt werden. Bald darauf verabschiedeten sich auch unsere Freund*innen und Genoss*innen, die sich im Zentrum des Danziger Platzes versammelt hatten.
Unser Dank gilt allen, die sich an diesem Tag gegen das Vergessen eingebracht haben.