Der Schock der Bundestagswahl sitzt uns allen noch tief in den Knochen. Die in weiten Teilen rechtsextremistische AfD konnte ihren Stimmenanteil verdoppeln und stellt nun neben der Union die zweitgrößte Fraktion im Deutschen Bundestag. Apropos Union: Friedrich Merz legt sich mit der Zivilgesellschaft an, weil diese seinen Flirt mit der AfD entsprechend kritisiert. Ein Angriff, der auch uns gilt. Bereits am Vortag zur Bundestagswahl hielt Friedrich Merz beim Wahlkampfabschluss in München eine Hassrede in bester trumpistischer Manier und diffamierte Millionen von Menschen, die gegen Rechts auf die Straße gehen als „linke und grüne Spinner“, die „nicht alle Tassen im Schrank haben“. Damit gibt er die Marschrichtung „seiner“ Regierung für die nächsten 4 Jahre vor: Alle, die links der cDU stehen sind als „links-grün-versifft“ nicht ernst zu nehmen. Wer gegen Rechts ist, und sich im schlimmsten Fall sogar noch „gegen Rechts“ engagiert, ist für den zukünftigen Bundeskanzler der Bundesrepublik nichts anderes als ein „Spinner“. Merz wird ein Kanzler der rechten Elite, eine kritische Zivilbevölkerung ist nicht erwünscht? Dieser Eindruck wird untermauert durch die schriftliche Anfrage von Merz und der cDU-Fraktion an die Bundesregierung, die am Tag nach der Bundestagswahl veröffentlicht wurde. Mit 551 Fragen zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs), darunter auch Journalist*innen, an den Bundestag will die Union wissen, welche Vereine durch öffentliche Gelder unterstützt werden und ob sie politisch zu viel Einfluss nehmen, sind nichts anderes ein Einschüchterungsversuch der Zivilgesellschaft.[1]
Stärker denn je muss unsere Devise nun lauten: Wir lassen uns nicht einschüchtern! Nein, wir rücken enger zusammen, sind solidarisch und werden uns weiter einbringen. Für eine wehrhafte Demokratie, gegen den Rechtsruck! Jetzt erst Recht!
Die Welle des radikalisierten Konservatismus[2], die derzeit aus der Mitte der Gesellschaft heraus entspringt, spiegelt sich jedoch nicht ausschließlich in Deutschland und Europa wider. Auch auf der anderen Seite des Atlantiks schlägt uns die Brandung ihre Gischt entgegen. Trump macht sich zur Marionette Putins, beleidigt den ukrainischen Präsidenten Selenskyj – nachdem ihm seine Erpressungsversuche offensichtlich nicht mehr ausreichend erscheinen und demontiert öffentlich die älteste Demokratie der Welt in Rekordzeit.
Diese Entwicklung ist mehr als besorgniserregend. Die Welt steht möglicherweise an einem Scheideweg der Geschichte und lehrt uns, dass Francis Fukuyama krachend irrte, als er Anfang der 1990 Jahre das Ende der Geschichte proklamierte. Mehr denn je ist es nun an der Zeit Flagge zu zeigen und sich für eine tolerante, offene und menschliche Welt einzusetzen.
[1] https://www.tagesschau.de/inland/bundestagswahl/startseite/merz-nach-bundestagswahl-100.htmlhttps://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/union-kleine-anfrage-ngos-faq-100.html
https://taz.de/551-Fragen-im-Bundestag/!6072207
[2] https://www.fes.de/akademie-fuer-soziale-demokratie/buch-essenz/natascha-strobl-2021-radikalisierter-konservatismus-eine-analyse